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Die Lust am Komplizierten

 

 

Die Lust am Komplizierten

 

Jetzt habe ich nach längerer Zeit wieder einmal in verschiedenen neuen psychologischen und spirituellen Büchern geschnüffelt und habe festgestellt, dass darin meistens uraltes Wissen, in bonbon-rosafarbener Verpackung neu angepriesen und als des Pudels Kern verkauft wird. Doch eine neue Verpackung macht noch lange keine Neuigkeit aus. Diese Mogelpackungen gaukeln dem Tamagotchi vor, auf dem Weg zur allumfassenden Erkenntnis zu sein. Sie machen glauben, dass die Methoden und Fortschritte nur den Forschungen der neueren Zeit zu verdanken sind. Die vielen neuen Begriffe wie Nullpunktfeld, morphisches Feld, Quantenfluktuation, Epigenese und andere neu kreierte Wortschöpfungen kleiden jedoch nur Altes in ein neues Gewand. Ein Gewand, dass dem rational übereifrigen Ego besser gefällt und von dem es glaubt, ohne maßgebliche Veränderung seiner selbst, an mehr Macht zu kommen.

Doch geht es im Grunde nicht nur um das Ablegen der Ego-Zentriertheit und dem sich Hingeben an eine viel größere intelligente Macht? Früher nannte sich diese Intelligenz für jeden verständlich: „Gott“. Und es gab keine Affirmationen, sondern es wurde gebetet. Das Gebet öffnete den Kanal zu den eigenen Gefühlen und erzeugte damit die nötige Demut, die heute so schwer zu finden ist.

Allein die Dankbarkeit für das er-betene hat keinen neuen Begriff erhalten. Wohl auch, weil es das Schwierigste am Ganzen ist.  Mit dem Satz "Mit Gott zu beten" ist das Meiste aller komplexen esoterischen, religiösen und neuerdings auch wissenschaftlichen Lehren bereits ausgesprochen. 

Was also macht die Faszination der Komplexität aus, die die meisten Menschen ehrfurchtsvoll vor den wissenschaftlichen Erkenntnissen erschauern lässt? Sehen wir uns das vorbehaltlos an, entdecken wir einen Glaubenssatz, der in etwa sagt:

„Die Welt entwickelt sich in eine immer größere Komplexität. Sie wird immer undurchschaubarer und es müssen immer mehr Faktoren berücksichtigt werden, um sie zu verstehen.“

Dieser Glaubenssatz gilt auch für den Menschen und das Modell, das er von sich selbst hegt. 

Doch das ist falsch.

 

Wir können uns nicht vorstellen, dass die Geheimnisse nicht in einer immer komplexer erscheinenden Zukunft liegen, sondern in der, aus unserer Sicht, immer einfacher werdenden Vergangenheit. Das Einfache aber interessiert das Tamagotchi nicht. Es will mit neuen Erkenntnissen glänzen, im Rampenlicht stehen und den ihm zustehenden Beifall einheimsen. Das ist die Triebkraft, die die meisten Menschen veranlasst, ihr Leben zu ändern oder besser gesagt: besser zu kontrollieren. Doch das Leben ist über das Tamagotchi (Ego) nicht zu kontrollieren. Egal mit welcher esoterischen oder wissenschaftlichen Methode es auch versucht wird. Das Leben entzieht sich den Steuer- und Kontrollfähigkeiten des Tamagotchis.

 

Die Versuche des Tamagotchis, die Kontrolle über seine Realität an sich zu reißen, müssen scheitern, denn das Leben wurzelt jenseits seiner Existenz. Aber das Tamagotchi ist nicht dumm – wie auch, ist es doch göttlichen Ursprungs – und es weiß heute um die Epigenese, also die Veränderung des DNS-Erbgutes durch externe Lebenseinflüsse und die damit einhergehenden massiven Beeinflussungen der Lebensrealität. Seine auf Aktion-Reaktion Mechanismen fixierte "Wissenschaft" weicht hier langsam auf und es fängt an, seine mentale Fehlhaltung, die vor vielen Jahrhunderten mit Descartes und Newton ihren Anfang nahm, zu hinterfragen. Gleichzeitig entwickelt es jedoch ein noch komplexeres Modell der Welt und glaubt, damit die Erklärung, vor allem aber die Kontrolle über alles zu erlangen. Doch hier irrt es sich wieder einmal.

Der Weg in ein liebenswertes und erfülltes Leben, ohne existentielle Sorgen, in Freiheit und Selbstbewusstsein führt nicht über die komplexen Modelle des Tamagotchis. Es ist sehr viel einfacher. Aber diese Einfachheit ist für die meisten Menschen nicht mehr erreichbar. Sie sind von der Komplexitätslust infiziert und es bedarf einiger Anstrengung und Übung, sich von dem komplexen Gedanken-Müll und seinen Auswirkungen zu befreien.

Ein paar Beispiel dazu: Schauen wir in die aktuellen Nachrichten, so merken wir schnell, dass die Klimaveränderung den meisten Menschen bewusst ist, sich jedoch alle politischen Maßnahmen nur um finanzielle Aspekte gruppieren. Es soll gegen die Klimaveränderung angekämpft werden und die Mittel werden immer komplexer. Die einfachste Lösung wäre jedoch, das Klima so anzunehmen, wie es sich gebärdet und mit allem aufzuhören, von dem wir bereits wissen, dass es dem Planeten nicht guttut. Das bedeutet jedoch auch, der Gold und Geld Mentalität abzuschwören.

Ein anderes Thema ist die Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Alles was das Tamagotchi damit erschaffen kann, ist eine Kopie von sich selbst unter deren Knute es dann zukünftig leben muss. Es ist sicher faszinierend für Ingenieure etwas zu bauen, dass ihre eigenen, als unzulänglich erachteten Fähigkeiten übertrifft, aber vor lauter Faszination auf die Komplexität dieses Vorhabens, werden die zukünftigen Konsequenzen übersehen. Auch hier wäre das bewusste Unterlassen solcher Vorhaben in Hinsicht auf zukünftige Auswirkungen eine einfache Lösung.

 

Ich bin nicht der Meinung, dass wir wieder zu Kerzenlicht und Pferdefuhrwerk zurückkehren sollen, aber die ausufernden Bemühungen des Tamagotchis, sich über sich selbst zu erheben, müssen einfach aufhören. Die ältesten spirituellen Schriften und damit die Grundlage der heutigen Psychologie besagen, dass der Mensch und Gott EINS sind. Sie sind vom gleichen Geist. Das bedeutet doch letztendlich, dass Meditation und Gebet eine Zusammenkunft ein und desselben sind. Ein Gespräch mit Gott ist also ein Gespräch mit sich selbst. Ein Gebet ist eine Bitte an sich selbst und setzt die Dinge in Gang, die dazu führen, dass das Erbetene eintritt. Jeder, der das wirklich für sich begreift, wird die große Demut erfahren, denn er wird etwas begreifen, was sich in Worten nicht ausdrücken lässt.

 

Es gibt nur einen kleinen Unterschied zwischen dem Tamagotchi und Gott. Dieser Unterschied liegt darin, dass der Mensch in seiner irdischen Existenz, fast ausschließlich auf sein persönliches Bewusstsein zugreift und seine Begrenzung nicht erkennt.  Seine begrenzte Sicht lässt ihn die Welt und sein Leben sehr komplex erleben und er sieht sich außerstande seine angelernten Glaubenssätze aufzugeben. So baut er ständig neue Gedankenkonstruktionen auf, die ihn aus der Verantwortung befreien. Er begründet es damit, dass wir nicht all die Eigenschaften und Fähigkeiten haben, die wir Gott andichten. Wir halten uns zB. weder für allmächtig noch für ewig. Und doch sind wir es, denn wir sind nichts anderes als dieses "Gott".

Das Tamagotchi jedoch versucht Gott gleich zu sein, also ein Mimikri-Spiel zu spielen, in dem es so tut als ob. Und genau das wird ihm zum Verhängnis, denn Du kannst nicht so tun, als ob, solange du Zweifel hegst. Du kannst auch nicht sein, was du glaubst nicht zu sein. 

Die Ursache, warum wir uns gegen die Identität mit "Gott" oder der "Quelle" sperren, liegt in unserem dualen Denken. Wir können nur einen Gedanken denken, den wir vor seiner "Negation" erkennen. Die Negation aller bewussten Gedanken und alle bewussten Gedanken zusammen, sind NICHT Null. Sie stellen die Begrenzung des Tamagotchis dar. Sie sind der  (Bewusstseins-) Raum, aus dem es nicht entkommen kann. Innerhalb dieses Raumes ist es der Alleinherrscher und es ist bestrebt diesen Raum stets zu vergrößern. Das Verlassen des Raumes ist ihm aber nicht möglich.

Den Raum zu verlassen ist der Quelle vorbehalten, jenem wesenhaften Sein, das jenseits aller Begrenzungen existiert und das wir alle sind.

Deshalb ist die Selbstaufgabe, das Loslassen des Egos, das Loslassen des Tamagotchis so wichtig. Erst wenn du dich ganz auf die Quelle einlassen kannst, dich ganz hingeben an das Unannehmbare, wenn du bereit bist deine Persönlichkeit aufzulösen und das Licht deines persönlichen Bewusstseins auszulöschen, dann erwachst du in das Wissen der Quelle. Dann wird alles NULL und nichts bleibt, was dich an die Welt bindet. Dann merkst du plötzlich, dass alles Bisherige der Ausdruck des "göttlichen Willens" der Quelle war, an dem du als Person teilhaben durftest. Für all das haben wir alte Aussagen:

"Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein (geistig) Reicher ins Himmelreich kommt."

"Ihr müsst werden wie die Kinder, denn ihrer ist das Himmelreich. Das Himmelreich ist in Euch."

Auch wenn die Worte jetzt stark religiös gefärbt sind, so deuten sie schon immer in die richtige Richtung. Glaube nicht, dass mit der Aufgabe deines rationalen Denkens die Welt endet. Wenn das Geplapper des Tamagotchis endet, öffnet sich eine Wahrnehmung, die ich als bewusstes Erleben bezeichne. Sie ist nicht mehr an den Körper gebunden, weder materiell noch energetisch, noch spirituell. Sie ist "behind the vail", jenseits des Vorhangs, der die Tamagotchi-Menschen-Welt von der Quellen-Welt trennt.

 

alles liebe

Hans