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panta rhei - alles fließt

 

Alles ist in ewiger Fortbewegung und nichts bleibt. Goethe schreibt es schon in seinem Gedicht Ein und Alles:

"Denn alles muss in Nichts zerfallen, wenn es im Sein beharren will."

Nur die Wandlung ist ewig lehrt uns auch die Quantenphysik. Es kann also nur eine Perspektive sein, die uns ein vermeintliches Stillstehen vermittelt. Ein Standpunkt der Integration und Summierung, eine Verlangsamung der Zeit mit der wir uns Stabilität und Dauer in einem sonst chaotisch wirren, flirrenden Quantenuniversum verschaffen. Wir erleben die Welt in menschlichen Maßstäben als ein sich langsam veränderndes Objekt, in das wir  unentrinnbar eingebettet sind als auch formend eingreifen können. Sehen wir schnell genug hin - und in den physikalischen Experimentierstätten können wir das - verschwindet die stabil erlebte Welt in einen Fluss aus Energiepartikeln. Dieser Blick in die Wirklichkeit der Materie ist nicht jedem Menschen möglich, aber wenn wir die uns umgebende Natur nur langsam genug betrachten, sehen wir ihre Veränderungen plötzlich. Für unseren schnellen, dahin schießenden Verstand sind sie zu langsam und entgleiten dem Alltagsgewahrsein. Aber eine darauf gerichtete Achtsamkeit macht die Veränderungen sichtbar, wie eine Zeitraffer-Aufnahme. Wechseln wir in die Perspektive der Langsamkeit und betrachten eine Pflanze, so sehen wir jeden Tag die gleiche Pflanze und doch bildet sie eine Blüte aus, wo vorher keine war. In ihrer Geschwindigkeit zeigt sich ihr Leben und kommuniziert mit uns in ihrem Tun. Je achtsamer wir beobachten, desto mehr fallen die sich langsam vollziehenden Bewegungen auf, die erforderlich sind, um ein neues Blatt oder eine neue Blüte hervorzubringen. 

 

Es soll sich regen, schaffend handeln

Erst sich gestalten, dann verwandeln

Nur scheinbar stehts Momente still

Das Ewige regt sich fort in allen

Denn alles muss in Nichts zerfallen

Wenn es im Sein beharren will. 

(aus Goethes: Eins und Alles)

 

Der Fluss der Liebe

Nehmen wir noch eine andere Perspektive ein und sehen uns einen Wassertropfen aus dem Gartenteich unter dem Mikroskop an, entdecken wir eine ganze Welt mikrobiologischen Lebens. In der Stille des Tropfen werden wir einer ungeahnten Menge von Bewegung gewahr. So geht es vom Größten zum Kleinsten immer weiter. Selbst Metall, Steine und Diamanten bewegen sich im Inneren. Die uns so fest vorkommende Welt ist angefüllt mit Bewegung. Diese Bewegung nennen wir Energie. Sobald wir einen Stecker in die Steckdose stecken oder irgendwo eine Batterie einlegen: Sofort breitet sich diese Bewegung aus und liefert uns, was wir von ihr wollen: Kraft. Kraft um das zu bewegen, was wir bewegt haben wollen. Je mehr sich unsere Perspektive in das Kleine und Innere verlagert, desto schneller und kleiner wird auch die Bewegung, obwohl sie in ihrer Auswirkung auf das Äußere immer gewaltiger wird. 

Unser elektrischer Strom, ist die Bewegung unteilbarer subatomarer Teilchen, der Elektronen. Sie bewegen sich durch die Strukturen der Metallkabel, in dem sie von Atom zu Atom hüpfen. Sie sind die grundlegendste Form der Bewegung, die wir kennen. Da Elektronen zu den Leptonen gezählt werden, sind sie per heutiger Definition unteilbar und stellen ein »Energiequant« dar. Sie stammen direkt aus dem rätselhaften Nullpunktfeld, an dem unser kausales Denken scheitert. Dieser Schleier verbirgt eine Wirklichkeit vor unserer menschliche Wahrnehmung. Er ist wie die Meeresbrandung, deren Rauschen alle anderen Geräusche unhörbar werden lässt. 

Mit der Annahme des Nullpunktfeldes als Anfangs- und Endpunkt aller Energie, haben wir die Grenze unseres Bewusstseins erreicht. Dem Paradox, dass alle uns bekannte Energie in einem absoluten »Nichts« entsteht und wieder endet, steht unser heutiges Bewusstsein machtlos und staunend gegenüber. Dem zufallsartigen Entstehen von Energie aus einem absoluten »Nichts« kann unser Bewusstsein nichts entgegensetzen. Geschweige denn ergründen, wie das möglich ist. Und doch muss es unser Verstand anerkennen, da er es selbst so definiert hat.

 

So kommt es zum »pantha rhei«, zur Erkenntnis, dass alles fließt und zwar gerichtet aus dem Nichts im Inneren, hin zu einer Fülle, die es im Äußeren zu geben scheint. In dem es fließt und sich bewegt, bildet es Formen, die je nach Wahrnehmungsfähigkeit des Beobachters das Eine oder das Andere abbilden. Vom Inneren her fließt das Unnennbare und bildet immer größere und sich langsamer bewegende Strukturen, bis hin zu den fernen Galaxien des Universums, in dem wir zu leben wähnen.

 

Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass uns allein unsere Perspektive auf diesen Fluss, Stabilität und Stillstand suggeriert. Egal ob es die Dinge der Welt sind oder unsere Gedanken: Sie stehen nur vermeintlich still, weil wir gewählt haben eine so große Perspektive anzunehmen, dass wir die darin enthaltene Bewegung nicht mehr wahrnehmen können. Wenn wir unsere Perspektive ändern, kommt alles wieder in Bewegung. Es ist also unser  eigenes Gewahrsein, das eine ausgewogene Balance zwischen Struktur und Chaos hält. So verschaffen wir uns Wahrnehmungen, die uns an eine stabile physische Existenz glauben lassen. An ein Innen und ein Außen, Materielles und Geistiges. All das existiert, jedoch nur im wahrnehmenden Bewusstsein und in dessen Perspektive. Es schöpft aus dem Fluss der Liebe all die wunderbaren Kreationen, die es als sein Leben, seine Welt erlebt. Und dieser Fluss der Liebe strömt aus seinem eigenen Zentrum, aus jenen Gefilden des Geistes, die durch unser Postulat des "Nullpunkts" verborgen liegen. Die sich jenseits des Zugriffs durch das Bewusstsein befinden und sich der Objektivierbarkeit durch Verstand und Logik entziehen. Sie verströmen aus ihrem eigenen Zentrum die Kraft, die wir universale, bedingungslose Liebe nennen und durch die sich Bewusstsein erst bildet. Die ewige schöpferische Liebe bringt unsere Fähigkeit "bewusst" zu sein hervor und auch das Universum, darin sich ein bewusstes Wesen wohl fühlen kann, ohne je an Grenzen zu stoßen. So wie im Kleinsten die Energie fließt, so fließen auch die Objekte im Universum. Nichts gibt es darin, das nicht geboren wurde und nichts das nicht sterben wird. Nur die ewige schöpferische Liebe fließt, bringt neue Formen hervor und schmilzt alte ein. Sie kennt weder Zeit noch Dauer. Lassen wir uns auf diese Quelle ein, verlieren wir unsere endlichen Strukturen, verlieren die Anhaftungen an Alter, Krankheit und Tod. Wir erkennen, dass nur unsere eigenen Denkstrukturen, unser Wissen und Glauben all dieses Leid hervorruft und mit dem Loslassen dieser alten Muster, verschwinden Krankheit und Leid, ja sogar der Schrecken vor dem Tod aus unserem Leben. Machen Platz für das Gewahrsein des ewigen Flusses, des pantha rhei - denn alles fließt.

 

alles liebe

Hans